Einzigartiger Naturraum
Der Grünstadter Berg, auch als Gemeindeberg bekannt, liegt zwischen Grünstadt, Neuleiningen und Ebertsheim. Er ist ein 336 m hoher Kalkhügel, mehr eine unbewaldete und nahezu baumlose, windige Hochebene als ein Berg.
Erdgeschichtlich stammt der Kalkstein aus dem Mainzer Becken. Dieses war im jüngeren Tertiär vor etwa 31–19 Millionen Jahren eine Meeresbucht am Oberrheingraben. Hier lagerten sich fossile Sedimente von Muscheln, Korallen und anderen Meerestieren in bis zu 500 m dicken Schichten ab. Vor fast sechs Millionen Jahren trocknete das Mainzer Becken aus und wurde zu festem Land aus Muschelkalk.
Pflanzenvielfalt auf tertiärem Kalk
Der tertiäre Kalkstein des Grünstadter Bergs ist heute nicht nur ein wertvoller Baustoff, sondern er bildet auch die Grundlage für einen Kalkmagerrasen mit einzigartiger Flora. Im März, wenn dort der Wind die Blüten der Küchenschellen in ein wogendes, violettes Blütenmeer verwandelt, gehört eine Wanderung über diese sonnigen Höhen zum Schönsten, was der Frühling in dieser Region zu bieten hat. Wenig später im Jahr blüht die Echte Schlüsselblume, die man anhand ihrer fünf rötlichen Flecken an den gelben Blütenblättern gut von der Hohen Schlüsselblume unterscheiden kann. Selbst die seltene Violette Schwarzwurzel und der Blaugrüne Faserschirm kommen hier vor, ebenso die schmarotzende Thymian-Seide. Der Vollparasit windet sich mit blattlosen Trieben, die wie Seidenfäden aussehen, um seine Wirtspflanze. Im Mai blühen auf den Magerrasen mehr als zehn prächtige Orchideenarten wie Bienen-Ragwurz, Pyramiden-Spitzorchis und Bocks-Riemenzunge. Im Herbst zeigen sich die Blüten des Fransen-Enzians.
Botanisch ausgedrückt treffen auf den südexponierten Kalkkuppen des Grünstadter Bergs Steppenpflanzen, die hier ihre westlichste Verbreitungsgrenze haben, auf submediterrane Arten, die hier ihre nördliche Verbreitungsgrenze erreichen. Auch einige Pflanzen aus der letzten Eiszeit konnten sich bis heute in diesem Gebiet halten, darunter die Kugelblume und das Mittlere Leinblatt.
Quellgebiete
Hervorzuheben sind auch zwei Quellgebiete, an denen Grundwasser an die Oberfläche gedrückt wird. Sie liegen an der westlichen Bergflanke und sind Lebensraum des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings, dessen Lebenszyklus einzigartig ist, da sich die Larven in den Nestern von Ameisen entwickeln. Aus gutem Grund also sind diese Quellgebiete als Naturdenkmäler ausgewiesen.
Tierwelt des Grünstadter Bergs
Zahlreiche Wildbienen, Schmetterlinge und Heuschrecken wie der Esparsetten-Bläuling, der Magerrasen-Perlmutterfalter oder die Italienische Schönschrecke kommen auf dem Grünstadter Berg vor. Dies ist nur möglich, weil jedes Insekt in diesem Naturraum seine spezifische Pflanze findet. So können aufmerksame Beobachter hier so manche seltene Insektenart bestaunen.
Und weil in der Natur alles ineinandergreift, ist der Grünstadter Berg auch ornithologisch und für Fledermäuse ein äußerst wertvolles Biotop. Hier brütet die Feldlerche, und der Steinschmätzer hat in den Kalksteinbrüchen eine Heimat gefunden. Man kann Schwarzkehlchen, Neuntöter, Grauammern und andere Vögel beobachten. Die in Rheinland-Pfalz in freier Natur selten gewordenen Wachteln hingegen sind leichter zu hören als zu entdecken. Jedes Jahr im Herbst kommen Vogelbeobachter auf die windigen Höhen, um Rotmilane und Kraniche auf ihrer Reise in die Winterquartiere zu bestaunen. Dabei ist der Grünstadter Berg nicht nur für diese beiden Arten ein wichtiger Zugkorridor.
Entstehung und Bewahrung
Wegen dieses Artenreichtums ist der Grünstadter Berg ein einzigartiges Naturjuwel. Gleichzeitig macht diese Artenvielfalt das Ökosystem in hohem Maß widerstandsfähig für den Klimawandel. Kalkmagerrasen und ihre tierischen Bewohner sind grundsätzlich gut an Trockenheit und Hitze angepasst. Und auch der Mensch findet in dem landschaftlich reizvollen Mosaik aus Ackerflächen und Hecken mit den dazwischenliegenden aussichtsreichen Magerrasen Ruhe und Erholung.
Entstanden sind diese Magerrasen übrigens erst durch die jahrhundertelange menschliche Nutzung, insbesondere durch Beweidung. Und so zieht auch heute noch jedes Jahr ein Wanderschäfer mit seiner Herde über die Flächen und hilft, diese zu bewahren.
Historischer Hintergrund
Nicht nur als Naturraum ist der Grünstadter Berg schützenswert, sondern auch aus historischen Gründen. Oberhalb von Sausenheim sprudelt der Queckbrunnen, eine ergiebige Quelle, die im 19. Jahrhundert die Steingutfabrik Grünstadt mit Wasser versorgte. Auch das Eichenwäldchen gibt es heute noch. Es liegt neben dem Modellflugplatz. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts wurde hier ein Niederwald aus Schäleichen genutzt, um Lohrinde zu gewinnen. Diese wurde in einer Lohmühle, die am Eisbach betrieben wurde, zermahlen, um den in der Rinde enthaltenen Gerbstoff zu gewinnen. Mit diesem wurde dann in einer Gerberei in Asselheim Leder gegerbt. Zu den Schäleichen zählen neben der aus dem Mittelmeerraum bekannten Korkeiche auch die bei uns vorkommende Traubeneiche. Leider steht heute im Eichenwäldchen keine der einst so mächtigen Schäleichen mehr, die bis zu 300 Jahre alt werden können. Sie wurden abgeholzt und von Kiefern und Birken verdrängt. Dabei können bis zu 1000 Insektenarten von einer Eiche profitieren. Aber das ist eine andere Geschichte.
Text von: Jörg-Thomas Titz und Carolin Wazinski